Toms Geschichte: Der Kampf mit dem Spiegelbild

Tom: Der strahlende Typ mit der perfekten Fassade

Tom war das, was viele einen „strahlenden Typen“ nannten. Als Sportstudent glänzte er nicht nur mit einem durchtrainierten Körper, sondern auch mit seinem Charisma. Er war engagiert in einer freien Kirchengemeinde, übernahm Verantwortung bei Events und predigte manchmal sogar bei Jugendabenden. Seine Worte waren inspirierend, sein Auftreten selbstbewusst, und sein Freundeskreis groß. Für die meisten war er ein Vorbild: sportlich, gutaussehend, voller Glauben – und scheinbar unantastbar.

Doch hinter der Fassade war Tom ein anderer Mensch. Tief in ihm arbeitete eine Unsicherheit, die er sich selbst nicht eingestehen wollte. Kritik traf ihn hart, selbst wenn sie vorsichtig und liebevoll vorgetragen wurde. Oft reagierte er überzogen, verteidigte sich vehement oder griff seine Kritiker verbal an. Manchmal tat er es direkt, manchmal über subtile Manipulation: Einem Freund vertraute er an, wie unfair jemand ihn behandelt hätte, und ließ die Person so zu seinem Verteidiger werden.

Die Wahrheit war: Tom konnte Kritik nicht ertragen, weil sie an dem Bild rüttelte, das er von sich selbst aufgebaut hatte. Ein Bild, das er um jeden Preis schützen musste.

Konflikte und die wachsende Spannung

Eines Tages, während eines Planungstreffens für ein großes Jugendcamp, kam es zu einem offenen Konflikt. Anna, eine der engagiertesten Mitarbeiterinnen, wagte es, einen Vorschlag von Tom infrage zu stellen. „Ich finde die Idee gut, Tom, aber ich glaube, das passt nicht zu unserer Zielgruppe. Vielleicht sollten wir eine alternative Herangehensweise überlegen.“

Tom erstarrte. Für einen Moment blieb es still im Raum. Dann lächelte er gezwungen und sagte: „Interessanter Punkt. Aber ich denke, wir sollten hier lieber den Plan verfolgen, der bewährt ist.“ Seine Stimme klang ruhig, doch in ihm brodelte es. Anna hatte ihn vor der Gruppe bloßgestellt, zumindest fühlte es sich so an.

Nach dem Treffen sprach er mit seinen engsten Freunden. „Anna ist immer so kritisch“, sagte er beiläufig. „Ich frage mich manchmal, ob sie wirklich an einem Strang mit uns zieht.“ Innerhalb weniger Tage war die Atmosphäre im Team vergiftet. Andere spürten den unterschwelligen Druck, sich entweder auf Toms oder auf Annas Seite zu stellen. Einige Kollegen mieden sie, ohne zu wissen, warum. Anna fühlte sich isoliert und zog sich schließlich aus dem Team zurück.

Der Wendepunkt

Toms Verhalten begann sich in seiner Umgebung herumzusprechen. Menschen, die ihn bisher bewundert hatten, merkten, dass sie sich in seiner Nähe nicht immer sicher fühlten. Ein enger Freund, Jonas, sprach ihn eines Abends darauf an. Sie saßen zusammen in einem Café, und Jonas sagte direkt: „Tom, ich muss dir was sagen. Du bist ein großartiger Typ, aber ich habe das Gefühl, du gehst nicht gut mit Kritik um. Du wirst manchmal hart, und es scheint, als würde dich Kritik tief verletzen.“

Tom wollte zuerst ausweichen. „Das ist nicht fair, Jonas. Ich will doch nur, dass alles gut läuft.“

Jonas blieb ruhig. „Vielleicht. Aber manchmal wirkt es, als würdest du nicht dich selbst verteidigen, sondern ein Bild von dir, das du schützen willst. Und das verletzt nicht nur andere, sondern macht dich auch angreifbar.“

Diese Worte trafen Tom ins Herz. Zum ersten Mal fragte er sich, warum Kritik ihn so verletzte. Warum fühlte er sich so schnell angegriffen? In der Nacht lag er lange wach und dachte über Jonas’ Worte nach.

Toms Kindheit und das alte Muster

Die Antwort kam ihm, als er sich an seine Jugend erinnerte. Toms Vater war ein anspruchsvoller Mann gewesen, der selten Lob aussprach. Gute Leistungen waren für ihn selbstverständlich, Fehler hingegen wurden streng kritisiert. Tom hatte früh gelernt, dass er sich Anerkennung verdienen musste – und dass ein einziger Fehler reichte, um das Bild, das andere von ihm hatten, zu zerstören. Dieses Muster hatte sich in sein Erwachsenenleben übertragen.

Das Bild, das Tom von sich selbst aufgebaut hatte – der perfekte, starke, strahlende Mann – war ein Schutzschild. Es sollte ihn davor bewahren, sich selbst mit den Teilen von ihm zu konfrontieren, die er nicht mochte: seine Zweifel, seine Unsicherheiten, seine Angst, nicht zu genügen.

Die Heilung beginnt

Tom begann, sich mit diesen dunklen Teilen auseinanderzusetzen. Es war ein schmerzhafter Prozess. Ein Seelsorger aus seiner Gemeinde begleitete ihn dabei und half ihm, sich selbst mit anderen Augen zu sehen. „Tom, Gott hat dich nicht perfekt gemacht, aber er hat dich liebenswert gemacht. Du bist nicht definiert durch das Bild, das du von dir hast, sondern durch die Liebe, die Gott für dich hat.“

Langsam lernte Tom, Kritik anzunehmen, ohne sie als Bedrohung zu sehen. Er erkannte, dass es okay war, Fehler zu machen, und dass er trotz seiner Schwächen wertvoll war. Er entschuldigte sich bei Anna und sprach mit dem Team über sein Verhalten. Es war keine sofortige Veränderung, aber ein erster Schritt.

Der Spiegel wird klarer

Toms Geschichte ist eine Reise von der Selbstablehnung zur Selbstannahme. Wie Narziss aus der griechischen Mythologie hatte er lange in ein idealisiertes Spiegelbild geschaut, ohne zu merken, dass er sich selbst nicht wirklich kannte. Doch im Gegensatz zu Narziss fand Tom einen Weg, sich mit seinem wahren Selbst zu versöhnen. Er erkannte, dass wahre Stärke darin liegt, Schwäche zuzulassen, und dass Heilung möglich ist, wenn man sich selbst ehrlich begegnet.

Am Ende seiner Reise war Tom immer noch ein beeindruckender Typ. Aber diesmal war er nicht nur ein Bild, sondern ein Mensch – echt, verletzlich, und deshalb umso inspirierender.

* Eine fiktive Geschichte mit einem wahren Kern.

Ist Tom ein Narzisst? Was bedeutet Narzissmus wirklich?

Narzissmus wird oft als übermäßige Selbstverliebtheit beschrieben. Vielmehr zeigt sich Narzissmus aber darin, dass wir uns selbst ablehnen und ein idealisiertes Bild nach außen projizieren, hinter dem wir uns verstecken.

Der „typische Narzisst“ ist eine Seltenheit. Vielmehr tragen wir alle in unterschiedlichem Ausmaß narzisstische Züge in uns. Die spannendere Frage ist daher nicht, ob Tom narzisstisch ist, sondern was seine Geschichte über uns alle offenbart. Wo erkennst du Parallelen zu dir selbst?

Hast du Momente, in denen du dich an ein Bild von dir klammerst, das du anderen zeigen möchtest, während dein wahres Selbst im Hintergrund bleibt?

Welche der folgenden narzisstischen Eigenschaften erkennst du bei Tom – und welche vielleicht auch bei dir?

Die wichtigsten Eigenschaften des Narzissmus verstehen

Grandioses Selbstbild

Überzeugung von eigener Einzigartigkeit und Anspruch auf Bewunderung.

Mangel an Empathie

Schwierigkeit, Gefühle anderer wahrzunehmen oder angemessen darauf einzugehen.

Bedürfnis nach Bestätigung

Drang nach Anerkennung, Unruhe bei fehlender Wertschätzung.

Überempfindlichkeit gegenüber Kritik

Übertriebene Reaktionen auf Kritik oder vermeintliche Ablehnung.

Manipulatives Verhalten

Andere ausnutzen, um persönliche Ziele zu erreichen.

Arroganz und Anspruchsdenken

Überlegenheitsgefühl, Erwartung besonderer Behandlung.

Oberflächliche Beziehungen

Schwierigkeit, tiefe und authentische Verbindungen aufzubauen.

Innerer Konflikt

Hinter Fassade oft Unsicherheit und geringes Selbstwertgefühl.

Emotionale Instabilität

Schwankungen zwischen Selbstüberschätzung und Selbstzweifeln.

Fokus auf Erfolg

Starke Fixierung auf Macht, Schönheit oder Anerkennung.

Unser Weg im Coaching: Sich selbst ehrlich begegnen

Narzissmus ist oft eine Schutzstrategie, hinter der tiefe Unsicherheiten und Selbstzweifel verborgen liegen. Zu entdecken, wer wir wirklich sind – jenseits der Fassade – ist ein Geschenk: Es bedeutet, über unsere wahren Stärken zu staunen und zu erforschen, wozu wir fähig sind. Doch auch unsere Schwächen gehören zu uns. Gerade sie haben uns oft dazu gebracht, die Masken aufzusetzen, hinter denen wir uns verstecken.

Im Coaching bei Narzissmus begleiten wir dich auf einer Reise zu mehr Authentizität und innerer Stärke. Du lernst, dir deiner Stärken und Schwächen bewusst zu werden. Dabei geht es nicht darum, deine Schwächen abzustreifen oder sie zu verdrängen. Vielmehr helfen wir dir, sie anzunehmen, dich mit ihnen zu versöhnen und ihre Wurzeln zu verstehen. Dieser Prozess eröffnet den Weg zu echter Veränderung – einer Veränderung, die nicht in Perfektion mündet, sondern in Frieden mit dir selbst.

Du wirst nicht ein völlig anderer Mensch werden müssen – und das ist auch nicht nötig. Stattdessen kannst du lernen, deinen Schwächen die Schärfe und Bitterkeit zu nehmen und deine Stärken bewusst einzusetzen. So wirst du Schritt für Schritt zu einer Person, die sich selbst ehrlich liebt und aus dieser Liebe ein Segen für andere sein kann.

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